„Jetzt bin ich endlich frei“

12.829 Spenderinnen und Spender haben den Bergbauernhof von Christian Bachler mit 416.811,25 Euro gerettet. Vergangene Woche hat er seine Schulden bezahlt. Ein Gespräch über seine Träume, seine Kindheit, das Schlachten, die Not der Bauern und Raiffeisen

Vom Chefredakteur Florian Klenk als Weihnachtsgeschenk freigeschaltet Falter. Die Wochenzeitung aus Wien.

Florian Klenk LANDLEBEN, FALTER 52/20 vom 22.12.2020

Ich habe es noch nicht wirklich realisiert, dass mein Hof von den Banken freigeschlagen wurde. Es ist wie ein Traum, und ich hoffe, dass ich nicht doch noch aufwache.

Der Hof ist mein ganzes Leben, ich bin hier seit meiner Kindheit verwurzelt. Manchmal wühle ich in Archiven und Chroniken, um zu forschen, wie lange hier schon Bauern arbeiten. Schon seit dem Jahr 1100 wird hier Landwirtschaft betrieben. Ich weiß, dass hier heroben in der Krakau schon im Jahr 1668 Bauern gearbeitet haben. Hier stand eine „Zuhuabn“, ein Außenposten, wo ein Knecht auf ein paar Ochsen eines Bauern aufgepasst hat….

…Ich musste zuerst einmal 300.000 Euro in die Hand nehmen, um den Hof für die nächsten 25 Jahre zu modernisieren. Die „Außenmechanisierung“ war kaputt, die Technik fürs Heuen, die Traktoren. Ich besuchte in den Jahren davor die Landwirtschaftsschule. Da kam ich erstmals mit diesem ganzen Blechporno in Kontakt, wie ich es nenne. All die landwirtschaftlichen Industriemaschinen, Traktoren, Apparate. Ich war so deppert, dass ich mich in dieses neue System richtig vernarrt hab’. Die Lehrer trichterten uns den Spruch ein: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!“ Und so haben wir Bauern alle investiert und investiert und investiert. Wir sollten größer und größer werden. So sind die Schulden gewachsen. Dann sind die Alten weggestorben, die auf dem Hof geholfen hatten. Das Tierschutzgesetz ist uns auch im Genick gesessen. Ich habe noch einmal in den Stall investiert und einen großen Grund gekauft. 300.000 Euro auf 20 Jahre, ich habe geglaubt, das derblasen wir. Es gab ja wohlklingende Förderkonzepte, einen Businessplan, in den man die öffentlichen Gelder und die Arbeitskraft der Frau reinrechnet….

…Meine Schulden begannen mich zu er­drücken. Das war aber noch nicht alles. Als die Förderungen ausblieben, kam eine fette Milchpreiskrise, die Chinesen wollten auf einmal keine Milch mehr saufen. Das war 2009. Auf einmal bekamen wir nur 23 statt fast 40 Cent pro Liter. Jetzt waren die Förderungen weg, und der Preis rauschte auch noch nach unten. Dann stand ich da und dachte mir: Scheiße, jetzt bin ich erpressbar….

…Die ersten Wickel mit der Bank entstanden, als sie für die Kredittilgung die Filetspitzen meines Betriebes wollte, zum Beispiel die Jagdgründe. Die hätte ich leicht verkaufen können, es ist immer so, dass irgendein Nachbar ein Stück Land gut brauchen könnte. In der Genossenschaft der Raiffeisen sitzen ja auch benachbarte Bauern, die auf deinen Besitz spitzen und die deine Schulden und deinen Betrieb ganz genau kennen….

…Das war schon eine schräge Erfahrung. Denn die Grundidee der Raiffeisen-Genossenschaft war ja, dass die Bauern ihren Hof nicht verlieren sollten, dass sie zusammenhalten. Die Raiffeisen-Bewegung war ja eigentlich als Genossenschaft gedacht, in der sich die Bauern gegenseitig helfen. Aber jetzt ist Raiffeisen ein Weltkonzern, jetzt sitzen dort Multifunktionäre. Die sitzen auch in der Molkerei, in der Kammer, in der Bank und in deiner Nachbarschaft. Da zerreißt es doch die Leute! Wie soll sich jemand zum Beispiel für die Bauern und die Molkereien gleichzeitig einsetzen? Wie kann jemand die Interessen der Bauern und die einer Bank vertreten?

Kennst du noch das Motto von Raiff­eisen? „Der Große hilft den Kleinen, und gemeinsam sind wir stark.“ So hieß das früher. Aber jetzt hat Raiffeisen mit der bäuerlichen Struktur nichts mehr zu tun. Es ist wie bei den Schlachthöfen und den Monopolen. Sie haben das Geld, sie machen die Regeln. Wenn du dich mit den Molkereien anlegst, kannst du selber dein Joghurt drehen. Es ist schlimmer als die Leibeigenschaft im Mittelalter. Da wusste der Lehensherr, dass ihn der Bauer irgendwann auch im Stich lassen kann und dann die Wiesen unbewirtschaftet bleiben….

…Wir brauchen die Almen nicht nur touristisch, sondern auch als Futterreserven, weil man mit der Superkraft des Wiederkäuers aus Gras Fleisch machen kann, und das ökologisch….

Und jetzt bin ich das erste Mal schuldenfrei.

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