Mit menschlicher Würde und zivilem Unternehmergeist eine neue Ernährungspolitik in einzelnen Regionen beginnen
*vorläufige Bezeichnung abgeleitet von der RegionalwertAG von Christian Hiß, Name noch nicht festgelegt
von Franz Rohrmoser, Konfliktforscher
Der Hirnforscher Gerald Hüther sprach bei einem Referat in der Schweiz 2018 von der Wende, in der wir uns alle befinden. „Bisherige Ordnungssysteme, in der einige Wenige in der Hierarchie sagten wie es langgeht, funktionieren nicht mehr, weil diese in der komplex gewordenen Situation nicht mehr handlungsfähig sind“, so Hüther. Zum Beispiel ist unsere Agrarpolitik nicht in der Lage lebenssichernde Lösungen zu finden. Wir müssen eine neue gemeinsame Steuerung finden und Hüther bringt das mit Würde in Verbindung. Er sagte:
„Wir müssen in uns selbst etwas entwickeln, was uns hilft Mensch zu sein. Wir brauchen eine Art von innerem Kompass, der uns hilft mit anderen Menschen in gute Beziehungen zu kommen, der uns hilft unser Zusammenleben mit vielen Menschen so zu gestalten, dass es fruchtbar wird und dass wir etwas entfalten können. Dieser innere Kompass heißt WÜRDE“
Hüther sagt weiter, dass wir nur in guten Beziehungen miteinander fähig sind, die in uns angelegten Potentiale zur Entfaltung zu bringen. Solange wir uns gegenseitig wie Objekte benutzen, ist keine Entfaltung möglich, aber sobald Menschen damit beginnen sich als Subjekte, als Menschen, zu begegnen, das heißt sich in ihrer Würde ernst zu nehmen, ist die Entfaltung der in ihnen angelegten Potentiale sogar unvermeidlich. Diese Betrachtung von Gerald Hüther ist sehr hilfreich bei unserem Vorhaben die Potentiale in den Regionen zu finden und zu organisieren.
Aus diesen Kriterien betrachtet ist unser Agrarsystem durch sehr schlechte Beziehungen mit viel Gewalt gekennzeichnet. Das Benutzen anderer und das benutzen der Natur gehört zum normalen Alltag. Das hindert die Potentialentfaltung.
Unser Agrarsystem ist nach diesen Kriterien voller Unmenschlichkeit, es liegt Gewalt in der Struktur
Das Wesen des agrarischen Intensivierungssystems ist Grenzenlosigkeit. Die Devise heißt: „Immer mehr, immer größer“. Mengensteuerung z.B. bei Milch wird abgelehnt, der Preis geht in den Keller. Jeder produziert zwanghaft immer mehr. Es ist ein Ausscheidungssystem mit struktureller Gewalt. Das Kapital ist im Mittelpunkt und nicht der Mensch und die Natur. Bei den zentral gesteuerten Wertschöpfungsketten der Agrarproduktion ist der Bauer als Rohproduzent das letzte Glied der Kette. Er bekommt nur was übrigbleibt. Das System zieht die Gewinne aus der Region ab und verwendet das Geld ev. für Spekulation. Sowohl die Bauernfamilien als auch die Regionen haben die Kultur der eigenen Wertschöpfung verloren und rutschen dabei in die Verarmung, oft auch verbunden mit einem Verlust der Würde.
Der Start einer neuen Entwicklung in einer Region muss daher mit der Bildung einer regionalen Diskussionsgruppe mit Reflexion über diese Verluste beginnen. Dazu werden kreative Köpfe verschiedener Disziplinen aus der Region eingeladen. Man legt Wert auf gute Beziehungen, auf inspirierende, den Horizont erweiternde Gespräche und auf die Achtung untereinander. Dies macht es lt. Gerald Hüther möglich, „dass bei beteiligen Personen die in ihnen angelegten Potentiale zur Entfaltung kommen. Wenn diese Grund-Diskussion fundiert genug ist, beginnt die Sammlung von Fakten der Region und die Formulierung von Zielen und Inhalten.
Sammlung von Fakten in der Region
Am Beginn einer Aufbauarbeit zur Gründung einer Regionalwertgemeinschaft werden Fakten über die Region erfasst, die es meistens in verschiedenen Instituten in der Regel bereits gibt. Die wichtigsten Fragestellungen in Bezug auf eine regionale Versorgung dazu sind:
- Zu wieviel Prozent ernährt sich zurzeit die Region selber aus eigener Produktion und von woher kommen die zugelieferten Lebensmittel? Wieviel wird weggeworfen?
- Wie arbeitet die offizielle Landwirtschaft in der Region, intensiv ökoschädigend und wie viel mit Bio oder extensiv ökoschonend?
- Gibt es ein verarbeitendes Gewerbe außer Bäcker und Metzger? Welche Bereiche fehlen? Wie werden die bäuerlichen Rohstoffe verarbeitet?
- Wie sieht der Umgang mit der Biodiversität und dem Artenschutz aus? Welche bewährten, alten, heimischen Sorten werden nicht genutzt, werden Samen sichergestellt und produziert, welche Ressourcen bleiben ungenutzt?
- Wie sieht eine Krisenvorsorge im Sinne von Fragen des Zivilschutzes aus? (Krisenvorsorge, was passiert in Krisen)
- Wie sehen die Beziehungen zu städtischen Ballungsräumen aus?
- Wie geht man mit agrikulturellem Wissen und handwerklichem Können und den Fertigkeiten der bäuerlichen Menschen um?
Fazit: Aus solchen Fragestellungen werden die größten Mängel, Einseitigkeiten, Abhängigkeiten etc., ersichtlich. Das ergibt Hinweise womit eine Regionalarbeit begonnen werden soll.
Noch spannender wird es dann, die Ziele und Inhalte für eine Regionalwert-Gemeinschaft formulieren.
Es geht dabei um eine neue Form einer sozial-ökologischen Wirtschaft und um eine regionale Versorgung. Eine Region von der wir reden hat ca. die Größe des halben Mühlviertels mit Bezug zum Ballungsraum. Diese Größe ist gut überschaubar. Die Frage heißt nun: Wie könnte nun unser innerer Kompass für eine regionale Ernährungspolitik aussehen. Da die Grenzenlosigkeit und der Verlust der Wertschöpfung die Kernprobleme des Systems sind, geht es um das Setzen von Grenzen und um eine neue Form der Regionalökonomie.
Dieser Beitrag stammt aus unserer aktuellen Zeitschrift:
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