Sehr geehrte Damen und Herren!
Ennstal Milch stellt sich gegen Direktvermarktung und Regionalentwicklung
Missstände in Molkereiwirtschaft treiben seltsame Blüten
Die von uns oft kritisierten Abhängigkeiten zwischen Milchlieferanten und Molkereien haben nun zu extremen Auswüchsen geführt, die es nötig machen entschieden dagegen vorzugehen. Noch immer gibt es bei der NÖM und bei der Berglandmilch Strafgebühren für ehemalige Freie Milch-Lieferanten. Nun hat nach der größten Molkerei Österreichs, der Berglandmilch, auch die Ennstal Milch neue Regelungen für Direktvermarkter beschlossen.
Auszug aus Rundschreiben Ennstal Milch KG:
„ …1. Regelmäßigkeit der Anlieferung: Anlieferungen in einem Monat unter 50 % der Höchstanlieferung des entsprechenden Monats werden als Unregelmäßigkeit eingestuft. In solchen Fällen wird ein Abzug von 5 ct/kg auf die gesamte Monatsmenge durchgeführt.
- Höchstmenge für die Direktvermarktung: Es dürfen max. 60.000 kg Milch (ab 80.000 kg Maßnahmen) verarbeitet werden. Wird diese Höchstmenge überschritten erfolgt als Maßnahme ein Abzug von 10 ct/kg auf die gesamte Jahresmenge (wurde bereits ein Abzug für unregelmäßige Lieferung einbehalten wird dieser gegenverrechnet). Auch die Feststellung der verarbeiteten Milchmenge wird gemeinsam durch die Hofberater mit dem Lieferanten getroffen. …“ siehe Beilage.
Viele empörte Milchbäuerinnen und -bauern haben sich bei uns gemeldet, weil sie von niemand anderem Unterstützung bekommen und sich in ihrer Existenz gefährdet fühlen. Mit Entsetzen haben wir den Inhalt des Rundschreibens gelesen und uns entschieden mit allen Mitteln dagegen vorzugehen. Sollte diese Regelung tatsächlich mit 1. Oktober 2019 in Kraft treten, wäre eine sinnvolle Direktvermarktung praktisch unmöglich. Dies würde bedeuten, dass es den Betriebsleitern unmöglich gemacht wird, mit Innovationen und Investitionen Wertschöpfung zurück auf den Hof zu holen.
Wir sehen hier einen massiven Eingriff in die Erwerbsfreiheit und eine absolute Einschränkung, seine Talente zu entwickeln und genau das umzusetzen, was die Region braucht. Handwerklich erzeugten Produkten, regionalen Lebensmitteln, innovativen regional typischen Milcherzeugnissen, durch Direktvermarktung geschaffene Arbeitsplätze und Wertschöpfung wird mit solchen Regelungen jede Zukunft genommen.
Obwohl Konsumentinnen und Konsumenten, Tourismusbetriebe und Handelsketten immer mehr auf regionale authentische Produkte setzen, stellt sich die Ennstal Milch mit diesen Beschlüssen gegen die eigenen Milcherzeuger/innen!
Dieser Auswuchs hat viele Ursachen, die zusammen zu solchen unerklärbaren Einschränkungen führen. Zum einen ist das die absolut marktbeherrschende Stellung der Molkerei in ihrer Region. Zum anderen sind mit der Absprache der Molkereiwirtschaft im Hintergrund, keine Lieferanten von anderen Molkereien aufzunehmen, die Erzeugerbetriebe ihren Molkereien total ausgeliefert. Dieser und andere Umstände, die in höchstem Maß wettbewerbsverzerrend sind, wurden schon 2017 bei der Bundeswettbewerbsbehörde von der IG-Milch gemeldet. Dies wurde jedoch unseres Erachtens nicht ausreichend untersucht. Während die Handelsketten bei der kleinsten Verfehlung zu Millionenstrafen verurteilt werden, knebeln die Molkereien weiterhin ihre Lieferanten.
Die Ennstal Milch hat sich schon vor Jahren damit profiliert, besonders gnadenlos gegen interne Kritiker vorzugehen. Als ein innovativer und engagierter Direktvermarkter den Geschäftsführer der Ennstal Milch kritisierte, wurde er umgehend aus der Molkereigenossenschaft ausgeschlossen und in Österreich erstmalig eine Schüttgebühr für Nicht-Genossenschaftsmitglieder eingeführt. Der tragische Verlauf dieser Auseinandersetzung hat in der Region ein Exempel statuiert, das jeden Einspruch und Widerstand gegen solche diskriminierenden Vertragspunkte für die betroffenen Milcherzeuger unmöglich macht.
Wir werden daher über unseren Anwalt bei der Bundeswettbewerbsbehörde und beim Kartellgericht gegen diese Maßnahmen Beschwerde einlegen. Weiters werden wir mit diesem offenen Brief alle maßgeblichen Ämter, Behörden, Institutionen und Unternehmen informieren und ersuchen mitzuhelfen hier eine sinnvolle Lösung zu finden.
Die IG-Milch hatte in ihrer 15-jährigen Geschichte öfter mit ähnlich absurden Vorfällen zu tun, die uns alternativlos dazu veranlassten, gewisse Vorgänge grundsätzlich zu klären – auf juristischer, aber auch auf moralischer Ebene.
Genau das ist hier wieder notwendig.
Es muss das gute Recht eines jeden Bauern und jeder Bäuerin bleiben, selbst über seine erzeugten Produkte zu verfügen. Der Niedergang des ländlichen Raums kann nicht durch sklavenähnliche Vertragsverhältnisse verhindert werden, sondern nur durch mehr Freiräume, Innovation und mutige unternehmensfrohe Menschen.
Wir bitten Sie daher um Antwort bis Mittwoch, den 25. September 2019, um das weitere Vorgehen planen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Grünzweil, Obmann IG-Milch
Ernst Halbmayr, Projektleiter A faire Milch
Beilage:
Rundschreiben Ennstal Milch