Ich war vor einigen Wochen bei einer Tagung in Linz. Veranstaltet wurde diese von dem Verein Landluft. Dieser Verein entstand aus einer ArchitektInnengruppe, die sich besonders dem ländlichen Raum verpflichtet fühlen. Das Resümee war erschütternd. Der ländliche Raum erfährt derzeit einen Niedergang ungeahnten Ausmaßes. Die Landflucht hält unvermindert an und wer sich nicht im Speckgürtel einer großen Stadt befindet, ist von Abwanderung bedroht. Besonders junge Frauen sehen für sich keine gute Perspektive am Land. Für gut ausgebildete motivierte innovative Frauen hat das Land kein entsprechendes Angebot. Das Abschluss-Referat, das von einem renommierten Universitätsprofessor gehalten wurde, war besonders intensiv und klar.
Eine seiner Kernthesen ist: Der Niedergang des ländlichen Raums steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wertverlust der landwirtschaftlichen Produkte und damit der Entwertung des bäuerlichen Lebens.
Wenn es nicht gelingt das zu drehen, ist jede Initiative umsonst.
Meine Meinung deckt sich zu 100 % mit dieser These. Darum ist es ohne Alternative, alle Bemühungen darauf zu richten, den landwirtschaftlichen Produkten wieder den richtigen Wert zu geben. Dies war immer ein Kernanliegen der IG-Milch.
Für dieses Ziel haben wir alle Kräfte mobilisiert und fast alles versucht, was möglich war. Einiges ist gelungen, vieles nicht. Am erstaunlichsten war, wie viel Gegenwehr von relevanten Kräften des ländlichen Raums gekommen ist. Denen war der Alleinanspruch und Selbstzweck wichtiger als die Entwicklung des ländlichen Raums. Vielleicht haben sie es aber auch nicht verstanden, wie der Niedergang der Landwirtschaft den ländlichen Raum belastet. Man flüchtet sich in sektenähnliche Gruppierungen wie Zuchtverbände, Einkaufsgemeinschaften, Trachtenvereine und blendet das wirkliche Problem aus.
Umso wichtiger ist es, dass wir uns gemeinsam mit Franz Rohrmoser einer Rückholung der Wertschöpfung auf die Höfe widmen. Dabei gilt es auf allen Ebenen Verbündete zu finden, um aus einem bäuerlichen Anliegen ein gesamtgesellschaftliches Projekt zu machen. Dabei müssen wir viele Schranken im Kopf öffnen und sehr an uns selbst arbeiten, um wieder Mut und Zuversicht zurückzugewinnen. Die derzeitige depressive Stimmung in fast allen Bereichen der Landwirtschaft ist ein Nährboden für rechtes Gedankengut und Entsolidarisierung. Es ist keine Basis für einen Neuanfang und Innovation auf dem Land. Wir dürfen nicht den Fehler machen und darauf warten und hoffen, dass uns jemand die Schlinge vom Kopf nimmt.
Alfred Haiger, ein Vordenker in Sachen Landwirtschaft, hat vor 30 Jahren sein Referat im Mühlviertel mit dem Zitat beendet “Es liegt an uns und erwarten Sie nichts von oben“.
In diesem Sinne müssen wir uns selbst bei der Hand nehmen und mutig, offen und solidarisch für eine Aufwertung unseres Lebensraums kämpfen.
Ernst Halbmayr
IG-Milch
Dieser Beitrag stammt aus unserer aktuellen Zeitschrift:
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