Niedrige Preise, existenzbedrohte Bauern – Wer ist schuld?

14.02.2021, 06:10 Uhr, br.de

Deutschland: Niedrige Preise, existenzbedrohte Bauern – Wer ist schuld?

Die Preise für Schweinefleisch sind im Keller. Der Discounter Lidl hat deshalb für einige Wochen seine Preise für Fleisch erhöht. Doch die Aktion zugunsten der Landwirte scheiterte. Die Kunden zogen nicht mit, so Lidl. Muss Fleisch stets billig sein?

Nach Protesten zahlreicher Landwirte im Dezember hatten die Supermarktketten Lidl und Kaufland reagiert und die Preise für zehn Schweinefleischprodukte um einen Euro pro Kilogramm erhöht. Diese Erhöhung wurde dann an die Landwirte weitergegeben. Kunden wurden mit dem Slogan „Preis bewusst erhöht für unsere Bauern“ darauf hingewiesen.

Nach knapp zwei Monaten stoppte Lidl nun die Aktion. „Die Entwicklung der vergangenen Wochen hat gezeigt, dass der Markt unserem Preissignal nicht gefolgt ist“, teilte die Schwarz-Gruppe mit, die hinter Lidl und Kaufland steckt. Dadurch seien dem Unternehmen erhebliche Wettbewerbsnachteile entstanden. Man müsse sich beim Schweinepreissegment wieder dem Marktniveau anpassen, heißt es.

Kunde entscheidet sich für billigste Produkt

Für Bernhard Brümmer, Professor für Landwirtschaftliche Marktlehre an der Georg-August-Universität Göttingen, ist das ein klassischer Beweis für den sogenannten „Consumer-Citizen-Gap“. Nur so sei zu erklären, dass ein Großteil der Deutschen in Umfragen angibt, für Fleisch gerne mehr bezahlen zu wollen, am Supermarktregal dann aber doch zum billigsten Produkt greift. Dennoch findet Brümmer die Idee von Lidl „nicht uncharmant“. Denn mit solchen Aktionen könne man dem Verbraucher seine Verantwortung vor Augen führen.

Vier Supermarktkonzerne beherrschen 85 Prozent des Markts

Einen Grund für das Scheitern der Lidl-Aktion sieht Brümmer darin, dass die Kunden von Discountern am sensibelsten auf Preiserhöhungen reagierten. Wenn sich allerdings alle großen Supermarktketten und Discounter in Deutschland zusammentäten, könnte so etwas gut funktionieren, so Brümmer.

Bestes Beispiel dafür sind Eier aus der Käfighaltung. Diese seien aus den deutschen Supermarktregalen praktisch verschwunden, obwohl sie gesetzlich noch verkauft werden dürften. Die Marktmacht der vier großen Supermarktketten Lidl, Aldi, Rewe, und EDEKA könnte bei den Themen Tierwohl und Erträge für die Landwirte von Vorteil sein, sofern sie gemeinsam agieren, so Brümmer.

Über den Preiskampf im Supermarkt und die Probleme der Landwirte in Bayern diskutiert die Münchner Runde am Mittwochabend (17.02.) um 20:15 Uhr live im BR Fernsehen und hier bei BR24.

Preis im Supermarkt sagt nichts über Tierhaltung aus

Ein Problem ist aber auch die Austauschbarkeit bei landwirtschaftlichen Produkten, sagt Agrarökonom Brümmer. Milch schmecke gleich, egal von welchem Bauern sie käme und wie dieser seine Tiere halte. Für den Endverbraucher sei somit der Preis ein absolut entscheidendes Kriterium.

Aber können Verbraucher Landwirte und Tierwohl unterstützen, wenn sie gezielt teurere Produkte kaufen? Nein, sagt Andreas Winkler von der Verbraucherschutzorganisation foodwatch: „Der Preis im Supermarkt sagt nichts über gute Tierhaltung oder das Gehalt für die Bauern aus.“ Das hätten Untersuchungen von foodwatch gezeigt. Mit dem Finger auf die Verbraucher zu zeigen, sei frech und grenze an Augenwischerei, so Winkler.

Preise spiegeln nicht die wahren Kosten wieder

Laut foodwatch verschleiern Billigpreise die wahren Kosten. Denn ein großer Teil der Herstellungskosten sei bisher gar nicht im Preis einkalkuliert. Das seien zum Beispiel die Schäden an Umwelt und Klima, die durch die Massentierhaltung entstünden.

Greenpeace hatte im November 2020 in einer Studie ermittelt, dass allein der Konsum von Rind- und Schweinefleisch in Deutschland jährlich sechs Milliarden Euro an Umwelt- und Klimaschäden verursacht. Diese Kosten müssten im Fleischpreis mit einkalkuliert werden, fordern sowohl Greenpeace als auch foodwatch.

Deutsches Schweinefleisch seit Jahren „Exportschlager“

Deutschland war jahrelang einer der größten Exporteure von Schweinefleisch weltweit. Was von den Landwirten und ihren Verbänden als Erfolg gefeiert wurde, entwickelt sich zu einem großen Problem. Denn einer der wichtigsten Abnehmer deutschen Schweinefleischs war bislang China. Doch seit dem Auftreten der ersten Fälle der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland hat China einen Importstopp verhängt. Deutsches Schweinefleisch darf nicht mehr eingeführt werden.

Das Wegbrechen des chinesischen Markts sei verantwortlich für ein Überangebot an deutschem Schweinefleisch, was sich sehr negativ auf den Preis auswirke, so der Agrarökonom Brümmer.

Die Verbraucherschutzorganisation foodwatch lehnt die Exportorientierung der deutschen Fleischwirtschaft grundsätzlich ab. Solange die Agrarbetriebe auf dem Weltmarkt bestehen müssten, seien sie in einem brutalen Preiskampf gefangen. „Wir können nicht einer der größten Exporteure für Schweinefleisch sein und gleichzeitig faire Preise für Landwirte und tolle Tierhaltungsstandards haben“, so foodwatch-Sprecher Winkler.

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