Schwerer geistiger Missbrauch im Agrarsystem, Beitrag aus der aktuellen IG-MilchPost von Franz Rohrmoser

Als ich mich lange genug, in Folge des Coronarückzuges, so richtig auf die Raiffeisenanalyse eingelassen hatte, kam dieses Ergebnis heraus. Und was da herauskommt schmerzt. Der Missbrauch in den Beziehungen in Vertrauensverhältnissen zwischen Bauernvertretung und Bauern ist stärker und systemisch auf hohem Niveau ausgetüftelt, als ich bisher angenommen hatte.

Hier ein Auszug aus dem Beitrag:

Die Interessenvertreter werden als gewählte Vertrauensleute der Bauern vom Raffeisenkonzern bestochen, damit sie sich für seine Interessen einsetzen. Dabei missbrauchen diese bestochenen Politiker das Vertrauen ihrer anvertrauten Bauernfamilien, täuschen ihnen aber vor, als würden ihre Interessen vertreten, indem sie so tun, als gäbe es keine Interessensunterschiede zwischen Bauern und Raiffeisen. Die Betroffenen haben nur eine vermeintliche Vertretung, das Ganze ist traumatisierend.

Erst als ich versuchte mit der Symbolik des Gordischen Knoten in das System einzudringen, kam ich an die komplexen Verhältnisse heran. Um den Öffnungsvorgang des Knotens nachvollziehbar zu machen, formulierte ich den Vorgang in sieben Schichten, dazu siehe Teil 1 des Papiers.

Kern der Analyse ist der bis heute offiziell verleugnete innere Wandel in unserer Raffeisenorganisation, vom Helfer der Bauern zum Missbraucher dieser. Aber bei gründlicher wiederholter Analyse stellt sich heraus, dass dieser innere Wandel sogar zu einem gefinkelten System mit drei Steigerungsstufen entwickelt wurde:

  • Stufe 1:  Raiffeisen zeigt sich öffentlich als Helfer im Sinne des Gründers und tut in Wirklichkeit Bauern abzocken. Der Wandel passiert, wird aber nicht bewusst betrieben.
  • Stufe 2:  Das Hilfesymbol Raiffeisen wird bewusst im System zur Tarnung benutzt um Bauern abzuzocken. Das ist vorsätzliches Benutzen des Symboles.
  • Stufe 3:  Die Interessenvertreter als Vertrauensleute der Bauern werden bestochen, damit sie sich für die Raiffeiseninteressen einsetzen. Sie müssen dabei ihre anvertrauten Bauern täuschen und so tun, als würden ihre Interessen vertreten. Dies passiert unbewusst indem es heißt: Da gibt es gar keine Interessensunterschiede.

Es kommt Beklemmung hoch wenn man diese vorsätzliche Steigerung ansieht. Aber im Wissen um die große Krise, in der sich deshalb unsere noch vorhandenen Bauern befinden, müssen wir uns dringend damit befassen.

Dazu müssen wir die Rollenteilung ansehen: Raffeisen vergibt und bezahlt die Posten und die andere Seite, die Kammervertreter, nehmen die Posten an und sind damit dem Zahlenden verpflichtet. Es wird damit ein klares Chef-Verhältnis sichtbar. Die zur Schau gestellte Harmonie entpuppt sich intern deutlich als eine „Auftraggeber zu Auftragnehmer“ Verbindung und der Auftraggeber hat logisch Interessen. Diese haben selber quer durch das Land von Vorarlberg bis zum Burgenland zu wenig Bewusstsein über notwendige Gewaltenteilung und zunächst darüber, dass Raiffeisen ganz andere Interessen hat, als die Bauern. Kann man zwei Herren dienen?

Bei der Benennung seiner Interessen geht Raiffeisen von einer vermeintlichen oder von ihm vorgegebenen Freundschaft mit den Bauernvertretern aus, so nach dem Motto: Kommt wir sind eh alle einer Meinung!!! Die kritische (Corona-1 Meter) Distanz fehlt völlig.

Wenn ich mir bekannte Interessenlagen zu Grunde lege, dann öffnet sich ein großer Konflikt (dieser Punkt wird in der Realität besonders vermieden, denn Unterschiede darf es nicht geben):

  • Der Raiffeisenkonzern hat ein wirtschaftliches Interesse an einer Agrarpolitik der Intensivierung, weil dies mit viel Investition verbunden ist und das sein Geschäft ist. Für die Bauern wäre ein extensiverer Kurs, der klima- und mitwelt-gerechte Weg (ökosozial) viel Existenz-sichernder.
  • Die Molkerei als Milchindustrie hat Interesse an einem niedrigen Bauernmilchpreis, weil sie damit günstige Rohstoffe erhält. Die Bauern brauchen und wollen einen höheren Preis.
  • Der Konzern hat die Wertschöpfung für sich vereinnahmt und die Regionen verarmen, Bauern scheiden aus. Bauern kämpfen um die Rückführung von verlorener Wertschöpfung in ihre Regionen.

Es stellen sich peinliche Fragen: Was geschieht nun mit den Interessen der Bauern? Wer vertritt sie, wenn sie von ihren Politikern im Stich gelassen werden? Die Bauernvertreter in der PRÄKO schweigen darüber, Raiffeisen hat auch direkt in der Versammlung einige Sitze und das verstärkt das Schweigen. Dies bedeutet, die Bauerninteressen fallen unter den Tisch, werden verleugnet. Die Vertreter werden zum Verräter. Ein Desaster. Hier passieren die traumatisierenden Vorgänge mit schweren Folgen für Bauern.

Die Geschichtliche Entwicklung, dass aus der ursprünglichen Bauerngenossenschaft ein elitengesteuerter Konzern wurde, der die Bauern abzockt, ist zwar erklärbar, aber nie rechtfertigbar.

Kurz zur Geschichte: Als ab 1900 die Genossenschaften in Österreich gegründet wurden, lehrte man in der Christlichsozialen Partei – zu der die Bauern gehörten – noch die Unterwerfungslehre wie: „Der Herrscher ist Herrscher und der Untertan ist Untertan und das soll man nicht ändern“. Das Verhältnis Herrscher/Untertan ist also geschichtlich eingeübt. Das Selbstständig-Werden der Bauern fand nicht wirklich statt. Und die Genossenschaftsführer schlüpften ganz einfach in die Rolle des Herrschers, Bauern blieben weitgehend Untertanen.

Reale Übertragung des Systems auf die Politik

Der bestochene Politiker tritt politisch in Erscheinung und sagt zu den Milchbauern: „Wenn ihr bei dem niedrigen Preis bestehen wollt, müsst ihr mehr produzieren, also die Betriebe vergrößern und intensivieren.“ Viele Bauern folgen dem Vorschlag, tun nun aufstocken, produzieren immer mehr und die Milchüberschüsse wachsen und wachsen weiter und drücken den Preis zum Schaden der Bauern noch weiter nach unten. Die Bauern stehen in der Dauerkrise. Der Politiker bleibt dem Bauern gegenüber in Verschwiegenheit, dass nämlich dieser Vorschlag der Mehrproduktion voll einseitig im Interesse vom Raiffeisenkonzern ist, der damit zweimal verdienen kann und das auch tun will. Zum ersten verdient er als Molkereiindustrie am niedrigen Bauernpreis als günstigen Rohstoff. Je mehr der Preis sinkt, desto besser für die Industrie. Zum zweiten verdient er bei Vorleistungen mit Investitionen, wie Futtermittel, Dünger, Baustoffe, Maschinen, bis zum Kredit etc. Stellt man nun die Situation der immer stärker in Krise rutschenden Bauern dem Konzern gegenüber, dann sieht man erschreckend den „Krisengewinn den Raiffeisen“ von der Not der Bauern abschöpft. Der bestochene Politiker glaubt immer noch, dass Raiffeisen und Bauern die gleichen Interessen hätten, schiebt die ganze Schuld auf das System und sagt lapidar: Da kann man nichts machen, das ist in der ganzen EU so (ja weil dort auch die Lobbys Regie führen), unser System, so wie es auch in der EU ist.

Zum Trost: Ein Ausflug in die neue Klima- und mitweltgerechte Landwirtschaft

Bei so viel depressiver Ohnmacht dem herrschenden System gegenüber ist es zwischendurch wichtig, sich mit einer Vorstellung von machbaren, politisch-menschlichen Lösungen zu befassen. Es gibt bisher keine Diskussion darüber, dass die Überschussfalle der Molkereiindustrie, die vorsätzlich die Bauern an eine Wand fahren lässt, politisch selbst gemacht ist. Genauso wäre es, wenn die Molkereiindustrie es selber will, jederzeit möglich einen neues System zu entwickeln. Zum Beispiel könnten sich Industrie und Milchbauern an einen „Runden Tisch“ setzen, dort Klartext über Überschüsse und Preisbildung reden und dabei auch den Handel mit einbinden. Damit wäre der Bauer nicht mehr das letzte Glied in der Wertschöpfungskette, der das bekommt was übrig bleibt.

Wir kommen allerdings nicht umhin den Raiffeisenkonzern ganz offen mit seinem langjährigen Missbrauch zu konfrontieren. Wir müssen ihn zum Rücktritt aus Lenkungsfunktionen aus der Landwirtschaft auffordern. Eine Agrarwende ist nur möglich, wenn dieser Rücktritt vollzogen wird. Das Parlament ist aufgerufen eine demokratische Gewaltenteilung in der landwirtschaftlichen Führungsebene zu formieren und dann zu beschließen. Diese Gewaltenteilung muss verhindern, dass wie bisher eine Wirtschaftsmacht die Legislative, Exekutive und Judikative sich in einer Hand befinden.

Die Vergabe von Posten vom Raiffeisenverband an Bauernvertreter muss durch die neue Gewaltenteilung gesetzlich verboten werden. Alle Interessenvertreter auf allen Hierarchieebenen – die solche Funktion innehaben – müssen diese an Raiffeisen zurückgeben. Weiter muss der Raiffeisenkonzern seinePräsenz in der bäuerlichen Interessenvertretung PRÄKO aufzugeben.

Franz Rohrmoser Mai 2020

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